Mittwoch, 19. September 2007

Kultiviert oder: Die Macht des Buches

Die kleine Version der großen Bühne,
bescheidenes Duplex jenem Stil.
Ein wenig vom Glanze ihrer Kühne,
ein Puppenhaus als ihr ernstes Ziel.

Die Schallplattensammlung stolz gebahrt,
der Spieler hingegen scheint verstaubt
und ist noch am eh’sten staubbewahrt,
wenn Gästen das Hören mal erlaubt.

Dann wird die antike Kiste Wert,
denn bloße Kultur verstrahlt sie schon.
Das Knarzen und Rauschen zwar beschwert
das Hören, doch geht’s nicht um den Ton.

Sie ist nur ein Status, Zeichen seiner
Verbindung zu allen guten Kreisen.
Zwar wird durch das Mühen diese kleiner,
doch muss man im Anschein sich beweisen.

Und ebenso hat er so viel Wein
wie gar keine Ahnung vom Getränk.
Kultur ohne Reben? Kann nicht sein!
D’rum lagert er Weine, ungelenk.

Die Krönung der dummen Peinlichkeit:
Ihm ekelt ganz furchtbar vor’m Geschmack!
Doch säuft er ganz maßlos von Zeit zu Zeit,
Gesellschaft erfordert Kampf im Frack!

Im Hintergrund, wenn ihn wer besucht,
läuft immer das neuste Jazzquartett.
Obwohl er im Innern immer flucht
sich heimlich schon freut auf Charts im Bett.

Doch geht es ihm dort wie wie überall:
Gewöhnt man sich erstmal langsam d’ran,
verwandelt es sich vom Überfall
in was, das man ignorieren kann.

Regale voll Goethe, Schiller, Brecht,
verlautbaren stolz Beflissenheit,
Belesenheit wirkt von allem echt
und wahrhaft am meisten, weit und breit.

Erinnerung plagt ihn heute noch,
er weiß noch genau, wie er erkannte,
dass offenbar dort in ihm ein Loch,
wo anderen ewig Wolllust brannte:

Er suchte zu lesen in einem Buch
aus seinem Regal, er nahm den Faust,
und wurde gestoßen auf den Fluch,
der immer schon durch sein Leben braust.

Sie sagten ihm etwas, diese Zeilen:
Sie waren so wahr. Er hat gebebt.
Sie schienen sich förmlich zu beeilen,
zu schreien: Du hast umsonst gelebt!

1 Kommentar:

  1. In meinem Lob komme ich mir manchmal lächerlich vor.
    Ich mag deine Worte einfach.

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