Samstag, 29. September 2007

Herbst II

Zeit, die Schönheit zu sehen.
Im Winde vergeht manches Blatt.
Gewordenes bleibt ungeschehen,
nachdem es sich eingeprägt hat.

Zeit, durch Farben zu gehen.
Voll Tupfern bemalt sich die Stadt.
Rötliche Kleckse verwehen,
bald strahlend, bald leuchtend, bald matt.

Es weinen auf Kopfstein und Pflaster
die Bäume ihr knisterndes Laub.
Lampionblume und Aster
erschaffen aus Blüte bald Staub.

Als Labsal den riechenden Blicken
entwirft sich die Erde so neu.
Man droht fast im Meer zu ersticken,
das Auge verzehrt ohne Scheu.

Zeit, die Schritte zu setzen.
Kein Blatt ist dem anderen gleich.
Man muss dieses Schauspiel nur schätzen.
Die Erde beschenkt uns so reich.

Freitag, 28. September 2007

Flucht

Es schlägt das Piano um sieben.
Die Kirchturmuhr prägt ein Duett.
Und als mich die Geister umtrieben,
da wär‘ ich so gern noch geblieben,
doch musste ich leider in’s Bett.

Ich hörte noch lange die Klänge.
Und ließ mich verzaubern und schlief.
Im Träume noch war es, als sänge
ein Engel und flog über Hänge
und Felder, auf denen ich lief.

Da waren Akazienbäume.
Die wiegten gemeinsam im Takt.
Und Lieder verzierten die Räume,
bescherten mir seligste Träume,
in kindlichen Wünschen verpackt.

Und schließlich erwachte der Morgen.
Und weckte mich von meinem Glück.
In Plattenbauwohnung, in Sorgen,
von Liedern im Dunkel verborgen,
ersehn‘ ich mich wieder zurück.

Donnerstag, 27. September 2007

Unter der Dusche

Die Tropfen prasseln hart auf mein Geschlecht,
von unten her verhüllt der Dampf die Glieder,
die Hitze rückt Gedanken sanft zurecht,
ich spüre mich in Gänze endlich wieder.

Die Wärme wallt in Schwällen in mich ein,
sie läuft an meinen nackten Schultern runter
und perlt hinab auf Füße, auf mein Bein,
zerläuft auf Knien, macht das Wasser munter.

Ein wenig findet sich mein altes Ich,
ein wenig fühle ich mich neugeboren,
die Sauberkeit des Teints wird innerlich,
mein Geist eröffnet gleichsam wie die Poren.

Der Duschkopf sprüht mir Fluten in das Haar,
das lang und schwer als zweite Haut sich windet,
begleitet jeden Schwung und stellt ihn dar,
indem es seine Prägung edel bindet.

Die Scheiben sind beschlagen voller Dampf,
die Spritzer allen Wassers malen Bilder.
Und ich bin fern von aller Welten Kampf,
ein jeder Atemzug gedeiht noch milder.

Ich schließe meine Augen, spüre nur.
Empfinde jedes Rinnsal meiner Blöße.
Und weiß: In den Momenten bin ich pur
in jedem Sinne, spüre diese Größe.

Mittwoch, 26. September 2007

In der Nacht sind alle Katzen...

Sie schneidet mit Schritten in schwärzlicher Nacht
unhörbare Winde in nächtliches Schwarz
und steuert voll spannungsgeladener Pracht
verschleierten Schrittes ihr blickendes Quarz.

Den Kegel des Lampenlichts saugt sie gar auf,
ist Schatten sich selber in fließendem Huschen
und zeitlupengleich kann sie Spuren vertuschen,
nur Mondlicht wird Zeuge beim federnden Lauf.

Verbrüdert mit Dunkel der edelsten Art,
umwindet sie unsichtbar, schemenhaft Ecken
von Häusern, konturenlos, um zu verstecken,
was über die Nacht mit der Stille gepaart.

Dienstag, 25. September 2007

Präsenz

Werden die Menschen nicht endlich mal müde,
die Weltkriege immer noch neu zu vertonen?
Muss denn die Sünde noch über uns thronen,
uns’rer Historie wilde Etüde?

Immer auf’s Neue begeht man das Grauen,
ermahnt uns zu wissen, wie furchtbar es war.
Und stellt sich das Elend uns endlich ganz dar,
verweist man uns nochmal, den Abgrund zu schauen.

Man muss sich fast schämen, so könnte man denken,
dass heute in wärmeren Betten man nächtigt.
Und dass man sich Heizung und Herdes bemächtigt,
und neigt, seine Blumen im Garten zu tränken.

Man sollte verzichten, so könnte man meinen,
auf Luxusartikel, Komfort und Likör.
Wir frönen Bekleidung in jeder Couleur,
Berichte zur dritten Welt machen uns weinen.

D’rum wisset um alles, was Schlimmes geschah
und fühlt es in jeder so winzigen Pore
es drängt sich in Augen und füllet das Ohre:
Zwar geht es euch besser, doch Hölle ist nah!

Montag, 24. September 2007

Zerreißprobe

Ich bin nicht genug dieser Welt.
Ich fülle die Formen nicht aus.
Ein Wortspiel des Stummen,
ein türloses Haus,
in dem sich die Waage nicht hält.

Ich sehnsuche tausende Staben
von Büchern, die niemand mehr liest
und schreibe dem Kasper
‘nen Witz, der verdrießt,
und male auf schwarzem Blatt Raben.

Es hassen mich Äbte und Nonnen.
Der Liebe der Welt bin ich Hohn.
Und wag‘ ich zu hoffen,
ist Unglück mein Lohn.
Das Ende hat wieder begonnen.

Man muss nicht abstrakt formulieren.
Der Wortsinn entbehrt keiner Drastik.
Ich kann nicht genügen.
Ich bin eine Plastik
aus Kunststoff – und muss dennoch frieren.

Sonntag, 23. September 2007

Pause

Momente für ein kleines wenig Muße,
oh, und der Orkan, er schweigt in Hähme,
wie ein Philosoph in dessen Gräme
niemand wagt zu leben ohne Buße.

Ein wenig Zeit im Strudel dieser Welten,
niemand bleibt des Soges je verschont,
und endlich kommt die Einzelheit zum gelten,
während ihre Seele in uns wohnt.

Aberwitzig viele Möglichkeiten,
deren Qualität sich richtig zeigt,
wenn man sie sortiert, wenn sie sich streiten,
wenn man zeigt, wozu man eher neigt.

Solche Neigung explodiert zuweilen,
wenn, wie jetzt, ein wenig Zeit sich setzt
und sich empfiehlt, man möge sich beeilen,
Kreatives ist zu schnell verletzt!

Dann beginnt dem Tragenden ein Beben,
er entscheidet: Gebe ich ihm nach?
Solcherlei entscheidet oft ein Leben,
die Tendenz eröffnet das Gemach.