Samstag, 11. August 2007

Bionade (Marketing)

Komm, wir trinken Bionade,
denn die ist ja so gesund!
Ist um's Geld zwar etwas schade,
dafür werden wir nicht rund!

Ja, das ist schon wirklich herrlich,
so ein wenig Schorlensaft.
Schon nach Kurzem unentbehrlich:
Bionade gibt mir Kraft!

Ist bestimmt auch isotonisch –
isotonisch ist jetzt in!
Nein, ich mein das nicht ironisch,
seht, wie glücklich ich jetzt bin!

Endorphine purzeln munter,
weil man Bionade trinkt,
und das Leben wird gleich bunter,
wenn der Fettgehalt mir sinkt.

Alles mit ein wenig Wasser,
dünn mit etwas Saft vermengt.
Neuer Name – fertig! Krasser
als zuvor, den Markt gesprengt!

Hätt ich's nicht, dann müsst' ich leiden,
wenn ich Saft und Wasser sauf'.
Ersterer ist zu vermeiden –
Vitamine (pfui!) zuhauf!

Außerdem ist Saft zu billig,
kann ja gar nicht besser sein!
Darum kauf' ich allzu willig
nur noch Bionade ein.

Toll, was wir heut' alles haben!
Heute geht’s uns endlich gut!
Früher krankten wir wie Schaben,
doch dank „Bio“ kommt der Mut!

Marketingstrategen freuen
sich die fetten Ärsche ab,
weil die Scheiße klappt! Die scheuen
echt vor nichts. Und wir,
wir schlucken alles, nicht zu knapp...




Ich äußere mich selten so plump und ungeschickt zu Themen, wie es im heutigen Gedicht der Fall ist, aber ich darf bezeugen: Mein Hass auf die dort erwähnte Bionade (oder auf diejenigen, die auf den sie-begleitenden Marketingzug hereinfallen?) ist intensiv und aufrichtig. Vermutlich ist es vielmehr die schiere Erkenntnis, dass es immer wieder funktioniert, einen Trend künstlich zu erschaffen und alle demselben folgen zu lassen. Was mich ängstigt: Wenn es mit Artikeln funktioniert, funktioniert es auch mit Musik? Funktioniert es mit Filmen? Funktioniert es mit Büchern? Mit Gedanken?
Dieser Klimax folgend kann man vielleicht die Gefahr erkennen, die ich sehe: Man lässt sich zu leicht abnehmen, was man selbst entscheiden sollte. Entscheiden kann.
Wer die Namen EMI, Hollywood, Cecilia Ahern kennt, weiß, dass die ersten Gebiete nicht allzu schwer zu bejahen sind. Wie weit geht es?
Ist Johannisbeersaft nicht günstiger als eine Flasche Bionade? Bekommt man Wasser Medium nicht fast umsonst dazu? Kann man das nicht einfasch mischen und hat exakt das gleiche Getränk, welches den Inhalt dieser stilistisch formschönen Flasche mit Trendaufschrift ausmacht?
Wobei man schon zugeben muss: Der Feldzug war genial.
"Bio" genießt die denkbar größte Beliebtheit einer Lebensmitteletikette aller Zeiten, alle Lebensmittelgroßhändler (nein, nicht "Diskounter"!) bemühen sich, authentisch für irgendeine Biosparte zu werben, die dann zwei derer Stoffe weniger beinhaltet, die man eh schon sein Leben lang und auch weiterhin zu sich nehmen wird, ohne dass man schwer erkrankt - das Ganze dann für den doppelten Preis, versteht sich.
Dann das Wort in den Titel zu nehmen, gleichsam ergänzend durch den Anhang "-nade", welcher nahezu für eine Renaissance der guten alten LIMOnade sorgen könnte - genial!
Ferner das Etikett: Schlicht, modern, zeitlos, anknüpfend an den Vektorgrafik-/Lounge-Stil, welcher sich so gewaltiger Resonanz allerorts erfreut. Einfach und gut.
Und natürlich nicht zu viel in die Flaschen machen - das lässt sie, gemeinsam mit dem exorbitanten Preis, edel wirken. Man gewinnt, kurzum, den Eindruck, alles richig zu machen.
Da sind ein paar Herren sehr reich geworden.
Ich finde das sehr arm.

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