Samstag, 22. September 2007

Versionen

„Doch dazu dann später“, die Drohung im Raum,
das Ende des Grauens nach hinten verschoben,
Begreifen fällt schwer, man hört schon noch kaum,
was vorne gesagt wird, die Welt wird verschroben,
die Sinne entfallen dem Singsang der Worte,
und müde entschläft man an spannende Orte.

„Doch dazu dann später“, welch schöner Apell!
Die Neugierde rührt sich und schaut recht verdutzt:
Wer hat mich geweckt? Und: Ist es schon hell?
Die Mühen des Sprechenden haben genutzt,
die Leidenschaft schwappte ganz kontinuierlich
in Ohren, ansonsten meist eher manierlich.

„Doch dazu dann später“, der Schwall seiner Bosheit
im blinden Verzehren der Machtposition
vermag nicht zu bremsen und wie er dann los schreit
entbehrt jeder Menschlichkeit, spricht ihr fast Hohn,
der Lehrling wagt kaum sich zu Rühren, verlassen
ergeht er der Rüge, zu schwach sie zu hassen.

„Doch dazu dann später“ – was ist nur geschehen?
Oh Gott, warum sagt ihr denn nicht, was passiert?
Die anderen Themen muss ich jetzt nicht sehen,
nun sagt schon – sind Deutsche betroffen? Jongliert
das Schicksal mit unserem Glück und entscheidet
sich gegen uns, derweil schon Gott uns meidet?

„Doch dazu dann später“ – aus Deinem Munde
(und das, bitte glaub mir, ist herrliche Gabe!)
ist es ein Versprechen, ist Vorfreude, Kunde
von emotionalem Verständnis, ich labe
an Deinen Gesprächen mich dankbar und immer,
bist wärmende Lampe in lebendem Zimmer.

Freitag, 21. September 2007

Ode an die Naturgewalten (Klimax) - Illustriert

Ode an die Naturgewalten (Klimax)

Ein Hauch von Luft, die Härchen aufzurichten.

Ein Blatt verweht gleich einer Ballerina,
die nur auf Winden tanzt, wie in Geschichten.

Und das Geäst wird eine Okarina,
verwandelt sich in dieses Instrument,
mit welchem so viel Melodie beginnt.

Auch heute schweifen Töne, die man kennt
und schätzt, durch diese Welt und ihr entrinnt
ein leises Pfeifen, Kunde großer Dinge,
die aufgetürmt in uns’re Richtung gleiten.

Ein wenig scheint’s, als ob der Himmel singe
und gleichsam strebt, ein Lichtspiel zu bereiten,
indem er auf das Blau der Himmelswand
Gebirge schwarzer Steine zieht und häuft;
ein Lebensbild naturgewalt’ger Hand.

Das Licht zergeht in Farben, streut und läuft
an all den Wolkenbergen runter,
scheint sich bald zu sammeln, bald zu flüchten
vor dem tiefen Grollen, welches munter
düsteren Erklärungen, Gerüchten
sich bemächtigt, somit Ahnung zeugt.

Die Bäume beugen sich inzwischen fühlbar,
Blätter fliehen von der Welt beäugt,
deren Auge lange nicht so kühl war,
wie in diesen furchtverzehrten Blicken,
ohne Blau und Gelb – in schwarzes Grau
fliegen auch die Blätter wie an Stricken
gezogen fort, sie fliehen vor dem Tau.

Das Heulen weht um jedes Weltenkind,
mit Nachdruck warnt es alle, die es hören,
erzählt von Dingen, die im Kommen sind
und bald die Ordnung uns’rer Zeit zerstören,
von Dunkelheit, von Stürmen und von Brüllen,
und scheint in seinem Irrsinn selbst zu leiden,
als erste Tropfen Himmel weinend füllen;
es beginnt: Gewitter wird sich weiden.

Donnerstag, 20. September 2007

Vertrackt

Ich wusste nicht, dass sie nicht wusste, dass ich’s wusste – das war schlecht.
Denn hätte ich gewusst, dass sie’s nicht weiß, hätt‘ ich’s sie wissen lassen.
Nur da ich’s halt nicht wusste, wusst ich auch nichts zu sagen recht,
und ob ich’s wissen musste, kann ich nicht durch mein Gewissen fassen.

Natürlich hätt‘ ich ahnen können, dass ihr Wissen es nicht wusste,
nur dachte ich gewiss nicht d’ran, ihr Wissen so beflissentlich
gewissenhaft zu untersuchen – weiß auch jetzt nicht sicher: Musste
sie denn nicht auch wissen oder wusste sie’s nicht wissentlich?

Was ich wissen musste, weiß ich nicht, nur weiß ich, dass sie weiß,
dass ich nicht wusste, dass ihr nicht bewusst war, dass ich wissen musste
und auch wusste; weiter weiß sie auch, dass mein Unwissen leis
und unbewusst und nicht als Stuss mein Wissen trog wie eine Kruste.

Mittwoch, 19. September 2007

Kultiviert oder: Die Macht des Buches

Die kleine Version der großen Bühne,
bescheidenes Duplex jenem Stil.
Ein wenig vom Glanze ihrer Kühne,
ein Puppenhaus als ihr ernstes Ziel.

Die Schallplattensammlung stolz gebahrt,
der Spieler hingegen scheint verstaubt
und ist noch am eh’sten staubbewahrt,
wenn Gästen das Hören mal erlaubt.

Dann wird die antike Kiste Wert,
denn bloße Kultur verstrahlt sie schon.
Das Knarzen und Rauschen zwar beschwert
das Hören, doch geht’s nicht um den Ton.

Sie ist nur ein Status, Zeichen seiner
Verbindung zu allen guten Kreisen.
Zwar wird durch das Mühen diese kleiner,
doch muss man im Anschein sich beweisen.

Und ebenso hat er so viel Wein
wie gar keine Ahnung vom Getränk.
Kultur ohne Reben? Kann nicht sein!
D’rum lagert er Weine, ungelenk.

Die Krönung der dummen Peinlichkeit:
Ihm ekelt ganz furchtbar vor’m Geschmack!
Doch säuft er ganz maßlos von Zeit zu Zeit,
Gesellschaft erfordert Kampf im Frack!

Im Hintergrund, wenn ihn wer besucht,
läuft immer das neuste Jazzquartett.
Obwohl er im Innern immer flucht
sich heimlich schon freut auf Charts im Bett.

Doch geht es ihm dort wie wie überall:
Gewöhnt man sich erstmal langsam d’ran,
verwandelt es sich vom Überfall
in was, das man ignorieren kann.

Regale voll Goethe, Schiller, Brecht,
verlautbaren stolz Beflissenheit,
Belesenheit wirkt von allem echt
und wahrhaft am meisten, weit und breit.

Erinnerung plagt ihn heute noch,
er weiß noch genau, wie er erkannte,
dass offenbar dort in ihm ein Loch,
wo anderen ewig Wolllust brannte:

Er suchte zu lesen in einem Buch
aus seinem Regal, er nahm den Faust,
und wurde gestoßen auf den Fluch,
der immer schon durch sein Leben braust.

Sie sagten ihm etwas, diese Zeilen:
Sie waren so wahr. Er hat gebebt.
Sie schienen sich förmlich zu beeilen,
zu schreien: Du hast umsonst gelebt!

Dienstag, 18. September 2007

Doppelmoral

Äste und Ethik, das passt nicht zusammen!
Ästethik hingegen, das klingt richtig gut!
Ob Äste der Ethik des Waldes entstammen?
Macht Ethik den Ästen beim Wachsen erst Mut?

Geste und Stern sind ein komisches Paar!
Einzig als Gestern erkennt man sie wieder.
Doch Geste der Sterne: So vieles wird wahr
und Sterne des Gestern erinnern mir Lieder.

Welch ein Fantast, der am Tische nur sitzt,
wo man fantastisch dem Boden entflieht,
und welcher Fantast hätte nicht längst geschwitzt,
wenn er sich dem Tische stets zugeteilt sieht?

Die Falte im Alter verzierte schon viele,
der Falter hingegen wird nicht g’rade alt.
Doch wenn er als Älterer faltig entfiele,
entfaltete Alter den Preis, seinen, bald.

Der Streich jener Jugend soll irgendwann reichen,
doch streichen die Jungen schon deshalb die Segel?
Ich reiche Dir Streiche zum Alltagsentweichen,
den Opfern, nur, reicht es mit Streichen, ich Flegel!

Montag, 17. September 2007

Die Tiefe des Blickes

Ich sehe die Augen und denke: Oh, Tiefe!
Oh Seen, oh Meere, unendliches Sinken!
Und möchte am liebsten die Ewigkeit trinken,
ich fühle, als ob mich Unsterblichkeit riefe.

Ich sehe die Augen und fühle: Oh, Schweigen!
Du wärst noch am eh'sten geeignet, zu sprechen
von all dieser Schönheit, Besteh'nes zu brechen,
das Mögliche leicht überschreitender Reigen!

Ich sehe die Augen und weiß: Ihrer Klarheit
und Schönheit sind all meine Worte nicht wert.
Und grausam: Ich kenne die schmerzende Wahrheit.

Ich sehe die Augen und ahne, wie reich
mich Ahnenden, der diese Anmut erfährt,
das Schicksal beschenkt, dem Gottglauben gleich.

Sonntag, 16. September 2007

Unter Sternen

Wir alle schon standen voll Ehrfurcht darunter
Und wähnten uns nichtig im Schatten des Lichts.
Doch waren wir letztlich ein wenig zu munter,
um wirklich zu glauben, wir seien fast nichts.

Die Punkte, der Himmel – sie nahmen uns heftig,
beeinflussten unsere Identität.
Nur leider nicht länger, nur allzu geschäftig
verfolgten wir Alltag, der Luftschlösser säht.

Wir sahen die Wahrheit in all diesem Dunkel,
Unendlichkeit lehrte uns Werte und Pflicht.
In all diesem schwärzlichen Sternengefunkel
gehörte man plötzlich zur wissenden Schicht.

Man wusste: Man ist nichts. Und würde nichts werden.
Erkannte: Was immer ich mache, es stimmt,
weil alle die Freuden und alle Beschwerden
verschwinden, wenn einer das Weltall vernimmt.

Aus Ärgern Erinnern, aus Frohsinn Verstehen,
so relativierte sich alles Gefühl.
Geschicke, die ewiglich Leben versehen,
entwickeln sich träger, man achtet sie kühl.

Doch all diese Weisheit ist weiß Gott nicht immer,
und ewig ist all dieses Wissen wohl nie.
Schon später, am Schreibtisch im leblosen Zimmer,
beraubt man sich exponentiell der Magie.